Asien: Gesellschafts- und Lebensformen

Asien: Gesellschafts- und Lebensformen
Asien: Gesellschafts- und Lebensformen
 
Die Geschichte Indiens beginnt mit der Industalkultur, die von etwa 2500 bis 1700 v. Chr. im Nordwesten Indiens blühte. Die Fundstätten in Mohenjo Daro und Harappa im heutigen Pakistan sowie Lothal und Kalibangan in Indien sind Überreste von schachbrettartig angelegten Städten mit Bädern, Kornspeichern, Abwasserkanälen und Wasserreservoirs. Dies alles lässt auf großen Wohlstand schließen. Ackerbau bildete wohl die wirtschaftliche Grundlage dieser Kultur; dazu kam der Handel bis nach Mesopotamien und Afrika. Über die Staats- und Gesellschaftsform dieser Zeit ist ebenso wenig bekannt wie über die Ereignisse, die zum Niedergang ihrer Kultur geführt haben.
 
Seit etwa 1500 v. Chr. drangen die Arier in mehreren Wellen über die Nordwestpässe nach Nordindien ein und wanderten auf der Suche nach Weiden durch die Ebenen des Panjab bis zum Gebiet am Fluss Yamuna (Jamna). Zunächst lebten sie noch halbnomadisch, betrieben Viehzucht und gewannen durch Brandrodung neue Weideplätze. Später gingen sie in den neueroberten Gebieten zum Ackerbau über und es bildeten sich kleine Dorfgemeinschaften heraus. Sie bauten Gerste und andere Getreidesorten an und züchteten Rinder und Pferde. Die Familien waren patrilinear und partriarchisch organisiert. An der Spitze eines Stammes stand ein König (Raja), der den Versammlungen der Edlen (Kshatra) und Freien gegenüber rechenschaftspflichtig war. Er residierte an einem Hof mit Hofstaat und mit einem General, der für kleinere Kriege und Raubzüge zuständig war. Auf den Raubzügen wurden vor allem Rinder gestohlen, denn das Rind diente als Hauptzahlungsmittel. Die Stellung des Königs hing vom Erfolg in der Kriegsführung und Verteidigung des Stammes ab.
 
Bis um 600 v. Chr. breiteten sich die Einwanderer aus dem Norden bis zur Gangesebene und in den Dekhan hinein aus. Die in diesem Gebiet entstandenen Kleinkönigreiche bekämpften sich gegenseitig, um ihre Machtbereiche auszuweiten. Das größte derartige Ereignis war die Schlacht auf dem Kurukshetra, einem Gebiet nördlich von Delhi. In dieser Schlacht stritten sich die Kauravas und ihre Vettern, die Pandavas, um den Herrschaftsbereich von Madhydesha (»Mittelland«); die Schilderung dieses Ereignisses bildet den Kern des Epos »Mahabharata«. Das so umkämpfte Gebiet wurde zum Zentrum brahmanischer Kultur und der politischen Macht Nordindiens. Um 600 v. Chr. waren dann einige Stammesstaaten als Republiken organisiert. Sie wurden wie die Republik der Vrijis mit der Hauptstadt Vaishali von einem Ältestenrat und Volksversammlungen regiert, ihre Hauptstädte waren befestigt. Daneben gab es Königreiche, wie die von Kosala und Magadha.
 
In diesem Umfeld entstanden als Reaktion auf den in Opferriten erstarrten vedischen Glauben Asketenreligionen wie der Buddhismus und der Jainismus, die von den Herrschern Bimbisara von Magadha und Prasenajit von Kosala gefördert wurden. Bis zum Ende der vedischen Periode hatte sich die Vierständeordnung herausgebildet, die bis heute im Kastensystem weiterlebt. Unter den vier Ständen - Priester (Brahmanen), Krieger (Kshatriya), Ackerbauern (Vaishya) und Hörige (Shudra) - ist der Brahmanenstand der höchste. Die Besonderheiten des Kastensystems sind die Erblichkeit der Kaste, das Gebot, innerhalb der Kaste zu heiraten (Endogamie), die Speisegemeinschaft innerhalb der Kaste (Kommensalität) sowie die Ausstoßung bei Verstoß gegen die Kastenordnung. Diese und die Pflichten der einzelnen Kasten wurden von Manu (zwischen 200 v. Chr. bis 200 n. Chr.) im »Dharmashastra« (=»Gesetzbuch«) schriftlich festgelegt. Unter der Vierkastenordnung stehende Kasten sind die Candalas und Paria, von Gandhi »Harijans« (= Gotteskinder) genannt. Im modernen Indien sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich, und die verachteten Kasten werden durch Quotenregelungen zum Beispiel bei Studienplätzen oder Beamtenstellen geschützt.
 
Auch nach 500 v. Chr. blieb der Nordosten Indiens das Zentrum des historischen Geschehens. Dort entstanden die großen Asketenbewegungen des Buddhismus und Jainismus als Reaktion auf den immer mehr in Ritualen erstarrten Brahmanismus. Kurz nach dem Indienfeldzug (326-323 v. Chr.) Alexanders des Großen schuf die Maurya-Dynastie (322-185 v. Chr.) von ihrer Hauptstadt Pataliputra (heute Patna) aus das erste Großreich in Indien. Über die Anlage dieser Stadt unterrichtet uns der Grieche Megasthenes, der Gesandte des Selukos I. Nikator am Hofe des Candragupta Maurya (nach 320 v. Chr.), ebenso wie über die Struktur der Berufe und des königleichen Beamtentums. Er beschreibt einen Staat, in dem die staatliche Kontrolle eine große Rolle spielt. In seiner Darstellung gibt es sieben Berufsgruppen: die Philosophen, womit wohl die Brahmanen gemeint sind, die Landwirte, die Hirten, die Kunsthandwerker, die Krieger, die Spione und die Ratgeber des Königs.
 
Der bedeutendste Mauryaherrscher (268 - 232) war Ashoka, der sein Reich durch die Unterwerfung Orissas bis weit in den Süden ausdehnte und den Buddhismus förderte. An allen Grenzen und wichtigen Orten ließ er auf Säulen und in Felsen buddhistische Inschriften in Prakrit einmeißeln, in denen er seine Regierungsprogramme niederlegte; als seine Ziele formulierte er Fürsorge für das Volk sowie Toleranz gegenüber den Religionen und er äußerte seine Ansichten über Moral und Recht.
 
Schon bald nach Ashoka zerfiel das Reich. Von 250 v. Chr. bis 225 n. Chr. drangen in den Norden griechische, skythische, parthische und Kushana-Eroberer ein; der Einfluss dieser Fremdvölker wird vor allem in der Kunst deutlich. Im Süden bildeten sich die Dynastie der Satavahanas im Dekhan (230 v. Chr.-220 n. Chr.) und die der Pandyas und Colas in Südindien. Unter diesen Dynastien wurde der Handel mit dem Mittelmeerraum und nach Hinterindien und Zentralasien ausgebaut. Noch einmal wurde der Kontinent nördlich des Dekhan unter den Gupta-Dynastie (4.-6. Jahrhundert) und Harsha von Kanauj (606-647) geeinigt. Über diese Zeit erfahren wir viel aus den Berichten chinesischer Pilger (zum Beispiel Fa-hsien [399-414] und Hsüan-tsang), die, auf der Suche nach buddhistischen Schriften, auf einer Pilgerreise an die buddhistischen Orte in Indien oder zum Studium an die großen Klosteruniversitäten in Vikramashila (Bihar) und Nalanda kamen. Fa-hsien beschreibt beispielsweise die Städte von Magadha (Bihar) als reich und wohlhabend; in ihnen gab es zahlreiche wohltätige Organisationen. Für Reisende standen Rasthäuser an den Straßen zur Verfügung, die Pflege in den Krankenhäusern in der Hauptstadt war umsonst.
 
Im Süden Indiens bildete sich im Dekhan das Reich der Calukya im Gebiet des heutigen Maharashtra, im Südosten im Gebiet des heutigen Tamil Nadu das der Pallavas. Alle diese Herrscher förderten Kunst und Literatur, und diese Zeit gilt als die »klassische« Kulturepoche. Die Pallavas, deren Reich im Gebiet der eine dravidische Sprache sprechenden Tamilen liegt, machten ihre Hauptstadt Kanchipuram zu einem Zentrum der Sanskritkultur und bauten dort große Tempelanlagen für die Götter Vishnu und Shiva.
 
Nach Harshas Tod zerfiel das letzte größere Reich im Norden Indiens. Seit 1000 drangen immer wieder neue muslimische Eroberer im Norden ein. 1206 wurde der erste muslimische Staat, das Sultanat von Delhi, gegründet. Das Sultanat war kein dynastischer Staat, sondern ein Machthaber folgte dem anderen. Die Stärke dieser Herrscher beruhte auf ihrer schlagkräftigen Kavallerie, die von Kommandanten mit dem Grundsteuereinkommen ganzer Gebiete bezahlt wurden. So entstand ein Militärfeudalismus, bei dem die Kavalleriekommandanten die Säulen des Staates waren. Überall wurden kleine Garnisons- und Verwaltungsstädte gegründet, an deren Spitze ein Kavalleriehauptmann stand. Dieses System wurde auch von den Hindufürsten übernommen. Es gab noch zwei Hindureiche, die Bollwerke gegen das nach Süden vordringende Muslimreich bildeten. Dies war im Dekhan das Königreich von Vijayanagar, das den Muslimen noch bis 1565 standhalten konnte. Das zweite Reich war Orissa.
 
Babur, ein Nachkomme des Timur, begründete 1526 das Mogulreich, dessen bedeutendster Herrscher Akbar (1556-1605) war. Er unterwarf Indien von Sind bis Bengalen und von Kabul bis Berar und organisierte sein Reich systematisch durch. Die unterworfenen Regionen erhielten die Autonomie im Innern, und jeder lokale Herrscher erhielt einen Rang und einen Anteil an den Grundsteuereinnahmen entsprechend der Größe seiner Kavallerietruppe. Unter der Herrschaft seines Enkels Shah Jahan (1628-1658) erreichte die Bautätigkeit der Moguln ihren Höhepunkt. Der mächtigste aller Moguln war Aurangzeb (1658-1707), der Sohn des Shah Jahan. Er war ein fanatischer Muslim und lehnte jeden Kompromiss ab. Er führte eine Kopfsteuer für Hindus ein und zerstörte viele Hindutempel; nach seinem Tod kam es zum Niedergang des Reiches.
 
Europäer bauten ab Ende des 15. Jahrhunderts ihre Handelsnetze, vor allem an den Küsten Indiens, aus. Einen Einfluss auf die politischen Gegebenheiten erhielten sie jedoch erst mit dem Niedergang des Mogul-Reiches und der Schwächung der Hindu-Königreiche, die sich gegenseitig bekämpften. Das entstehende Machtvakuum nutzten die Briten, um sich auf der Basis der Mogul-Dynastie als neue Macht in Indien zu etablieren. Der letzte Mogul-Herrscher starb 1862 in der Verbannung in Rangun. Die Ostindiengesellschaft übernahm im Auftrag der britischen Regierung die Herrschaft in Indien. Nach einer Meuterei (1857) indischer Söldnertruppen bei Delhi, die von nordindischen Bauern und Grundbesitzern unterstützt wurden, auf denen die harte Steuerverwaltung der Briten lastete, wurde Indien britische Kolonie; 1877 wurde Königin Viktoria zur Kaiserin von Indien ernannt. Es entstand eine neue indische Bildungsschicht, die aus von den Briten errichteten Schulen hervorgegangen war und die in britischen Diensten stand. Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Freiheitsbewegung fand in Mahatma Gandi einen Führer, der durch seine asketische Lebensführung und seine moralische Integrität große Autorität gewann. Er propagierte den zäh durchgehaltenen passiven Widerstand zusammen mit absoluter Gewaltlosigkeit als Mittel, die Freiheit zu gewinnen. 1947 gaben die Briten Indien die Freiheit. Jawaharlal Nehru übernahm die Regierung, wobei er sich auf eine kleine Zahl hoch qualifizierter Beamter stützen konnte. Blutige Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen führten zu riesigen Umsiedlungsaktionen und schließlich zur Teilung und Gründung des überwiegend muslimischen Staates Pakistan und der überwiegend hinduistischen Indischen Union. Seitdem versteht sich Indien als säkularer Staat, der Trennung von politischer Macht und religiöser Autorität verpflichtet.
 
Unter den frühen Hochkulturen der Erde ist China die jüngste und die älteste zugleich: jung insofern, als sie sich in der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends erst relativ spät herausbildete, alt deshalb, weil sie ohne eigentliche Unterbrechung bis heute existiert. Sie verdankt diese Beständigkeit verschiedenen Ursachen, die teilweise auch noch heute wirksam sind. Da war zunächst die relativ isolierte geographische Lage, die andere Hochkulturen lange nicht in den Blick brachte, ihren Einfluss schwächte und die Überzeugung stärkte, selbst nicht nur das Zentrum der zivilisierten Welt, sondern diese tatsächlich überhaupt zu sein. Isolierend auf ganz andere Weise wirkte auch die durch den besonderen Charakter der chinesischen Sprache bedingte Begriffsschrift, die die Einschmelzung von Fremdwörtern und damit eine völlige Anpassung fremder Ideen weitgehend ausschloss - was ja eine geistige Veränderung überhaupt erst erzwungen hätte. Andererseits verklammerte diese Schrift alle Entwicklungsformen der chinesischen Kultur in Zeit und Raum zu einer Einheit, die sich über Jahrtausende hin als ungemein beständig erwies. Ihre Kontinuität wurde aber noch mehr durch eine geschlossene offizielle Geschichtsschreibung bewahrt, ergänzt durch eine unendlich reiche Privatgeschichtsschreibung; sie reichte von den mythischen, ins Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends verlegten Urkaisern bis zum Ende des Kaiserreichs 1912. Dieses feste Gedächtnis, das die Identität des chinesischen Selbstgefühls über alle historischen Brüche und lokalen Grenzen hinweg sicherte und bis heute wach hielt - gleichgültig, ob es von den Bewohnern des Mutterlandes oder den in viele Länder verstreuten »Auslandschinesen« getragen wird -, wurde geschaffen durch eine Gelehrtenschicht, die sich während der Wende vom zweiten zum ersten Jahrtausend v. Chr. aus einer Gruppe staatlich angestellter Priester entwickelte. Ihre Aufgaben bestanden von Anfang an gleichzeitig in der Ordnung von Staat und Gesellschaft, was sich schon ganz früh in der Herausbildung eines komplizierten bürokratischen Systems niederschlug. Eine ausgleichende Lenkung der großen, mehrheitlich bäuerlichen und damit wenig mobilen Bevölkerung galt von jeher als Ziel jeder kulturellen Bemühung. Charakteristischerweise interessierten sich denn auch chinesische Denker von Beginn an weniger für die Entstehung von Sein und Kosmos als vielmehr für die Entstehung von Zivilisation und staatlicher Ordnung.
 
Die Gesellschaft wurde eingeteilt in vier Standesränge: Gelehrte, Bauern, Handwerker und Kaufleute. Dabei ist bemerkenswert, dass anstelle der »Gelehrten« ursprünglich die »Ritter« an der Spitze standen, die aber mit dem Untergang des militärischen Adels im 6.-3. Jahrhundert v. Chr. durch die zivile, für die Verwaltung maßgebliche Literatenschicht ersetzt wurden. Die geringe Bewertung der Kaufleute beruhte auf deren Nichtsesshaftigkeit, der der Staat stets misstraute. Dass gerade handelsinteressierte, »untypische« Chinesen seit dem 16. und 17. Jahrhundert besonders von Süd- und Südostchina aus - trotz wiederholter Auswanderungsverbote - zunehmend in Ausland drängten, ist sicherlich kein Zufall.
 
Unsere Kenntnisse von den Anfängen der chinesischen Geschichte befinden sich augenblicklich durch unzählige neue, sich immer weiter ergänzende, teilweise sensationelle archäologische Funde stark im Fluss. Fest steht jedoch immerhin, dass sich die chinesische Hochkultur im 2. Jahrtausend v. Chr. aus dem Zusammenfließen verschiedener mehr oder weniger selbstständiger Kulturen entwickelte, die viel zahlreicher waren und auch weiter voneinander entfernt als ehedem angenommen. Die große Zahl tributpflichtiger Fürstentümer, die in der ersten historisch gesicherten Dynastie auftritt, der der Shang (etwa 1500-1050 v. Chr.), passt in gewisser Weise zu diesem Bild. Nachdem diese Regierungsform in der zweiten Hälfte der Zhou-Dynastie (etwa 1050-770 und formell weiter 771-256 v. Chr.) allmählich zusammengebrochen und erstmals von der Qin-Dynastie (221-205 v. Chr.; alte Lesung Tsin und damit Basis für die westliche Bezeichnung »China«, lateinisch = Sina) durch ein zentralisiertes »Kaiserreich« ersetzt worden war, ergab sich politisch und kulturell eine völlig neue Situation, die die mehr als zweitausend Jahre des Kaisertums mit ihren vielen Dynastien bestimmte. Ihre Problematik bestand in dem immer lebendigen Gegensatz zwischen den Selbstständigkeitstendenzen lokaler Zentren, der mehrfach zur Aufsplitterung des Reiches in Einzeldynastien führte, sowie dem oft mit Gewalt vertretenen Streben nach Bewahrung der Einheit um jeden Preis einerseits, in der Auseinandersetzung mit den weniger sesshaften, kriegerischen Fremdvölkern im Norden und Westen, die ideologisch und politisch die chinesische Identität bedrohten, andererseits.
 
Innere Zersplitterung und oft damit Hand in Hand gehende Beeinflussung durch fremde Kulturen, sei es durch eigene Eroberungen im Norden und Westen wie während der Han- (206 v.-220 n. Chr.) und der Tang-Dynastie (618-907), sei es durch die fremde Inbesitznahme vor allem Nordchinas wie während der »Nord-Süd-Periode« (317-581) und der immer mehr in den Süden abgedrängten Song-Dynastie (960-1279), führten aber auch regelmäßig zu beträchtlicher kultureller Befruchtung. Umgekehrt zog die Priorität, die die Bildungsschicht vor allem seit der Song-Zeit der Bewahrung chinesischer kultureller Eigentümlichkeit und staatlicher Einheit zumaß, überraschenderweise eine unübersehbare kulturelle Erstarrung nach sich; Folge war die zweimalige Eroberung des gesamten Reiches durch Fremdvölker - erst durch die Mongolen (Yuan-Dynastie 1280-1367), dann durch die Mandschu (Qing-Dynastie 1662-1911). Obwohl beide Fremddynastien, vor allem die der Mandschu, die Staatsgrenzen Chinas auf die auch heute noch beanspruchten gewaltigen Abmessungen ausdehnten, brüskierte die »Entweihung« des chinesischen Thrones durch fremde Herrscher nicht nur die Monarchie, sondern weitgehend auch die mit ihr eng verbundene traditionelle chinesische Kultur insgesamt, was sich dann beim Zusammenprall mit dem Westen seit den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts deutlich bemerkbar machte. Die gerade für das chinesische Selbstgefühl so wichtige Verknüpfung zwischen der immer mit Stolz vermerkten »fünftausend Jahre alten Kultur« und der dennoch vehement angestrebten Modernisierung stellt daher für China bis heute eine schwierige und schmerzliche Aufgabe dar.
 
Wann Japan zuerst besiedelt wurde, ist nicht genau zu bestimmen. Die Funde lassen jedoch eine Gliederung der Frühgeschichte in eine altsteinzeitliche, gefolgt von einer mittel- und danach jungsteinzeitlichen Kultur zu. An der Schwelle zur japanischen Jungsteinzeit steht die Jōmon-Kultur, deren freigeformte Keramikgefäße zeigen, dass eine einfache Töpferei bekannt war. Die sich anschließende Yayoi-Zeit kannte Reisanbau, Töpferscheibe und Metalle. Kyūshū und Yamato (Nara-Provinz) bildeten die beiden kulturellen Zentren der in Japan nicht besonders ausgeprägten Bronzezeit. Verbindungen zu China, vor allem über Korea, sind seit etwa 100 v. Chr. belegt.
 
Nachdem sich im Verlauf des 3. bis 6. nachchristlichen Jahrhunderts das Schwergewicht der wirtschaftlichen und politischen Macht von Kyūshū nach Yamato verlagert hatte, bildete sich die Dynastie der Yamato-Kaiser als Ergebnis des Konkurrenzkampfes der einst vom asiatischen Festland eingewanderten Sippen, vor allem der Familien Ōtomo, Soga und Mononobe. Damit begann die Asuka-Zeit und gleichzeitig die Entwicklung der kaiserlichen Herrschaft in Japan. Als Regent für die Kaiserin Suikō, die von 592-628 regierte, legte Prinz Shōtoku Taishi (beide stammten aus verschiedenen Zweigen der Soga-Sippe) die Fundamente des Tennō-Staates, nachdem er sich von koreanischen und chinesischen buddhistischen und konfuzianistischen Gelehrten über das Regierungssystem des chinesischen Staates Sui hatte belehren lassen. Er führte ein »Beamtensystem mit 12 Rängen« ein, ließ die hauptsächlich konfuzianistisch beeinflusste »Siebzehn-Artikel-Verfassung« proklamieren und förderte den Buddhismus als Staatsreligion. Unter Mommu-Tennō (697-707) wurde die schon von Shōtoku Taishi und Tenchi-Tennō vorbereitete Zentralisierung des Staates um den Tennō als absoluten Herrscher (etwa durch Überführung allen Privatbesitzes, einschließlich des unfreien Personals, in unmittelbaren Besitz des Kaisers) in Form einer umfassende Gesetzgebung vollendet (Taihō-Kodex von 701, zitiert im Shoku-Nihongi von 797).
 
Im Jahre 710 wurde die Kaiserresidenz aus dem Asuka-Gebiet nach Nara (Heijōkyō) verlegt. Einerseits bilden die fast hundert Jahre der Nara-Periode einen ersten kulturellen Höhepunkt Japans, der nicht zuletzt durch den regelmäßigen Austausch von Gesandtschaften vom Vorbild T'ang-Chinas beeinflusst ist. Shōmu-Tennō (reg. 724-749) konnte sich und seine Hauptstadt Nara anlässlich der Feier der Augeneröffnung des Großen Buddha im Tōdaiji-Tempel (752) vor den ausländischen Gästen als der neue Mittelpunkt der gesamten buddhistischen Welt darstellen. Der Keim der Entmachtung des Tennō wurde aber durch die Wiedergewährung von Privatbesitz an Hofadelige und Tempel (Shōen-System: 8.-16. Jahrhundert) schon am Ende der Nara-Zeit gelegt.
 
Wie sich im Streit um die politischen Einflussnahmen des Abtes Dōkyō (vor 722) auf Kaiserin Kōken = Shōtoku (749-758 und 764-770) zeigte, war den buddhistischen Klöstern in Nara nun soviel gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Macht zugewachsen, dass sich jeder Herrscher aus ihrer Einflussphäre befreien musste, wollte er nicht zur bloßen Marionette des Klerus werden. Kammu-Tennō (781-806) verlegte die kaiserliche Residenz schließlich nach Kyōto (Heiankyō) und befreite die um seinen Hof konzentrierten hochadeligen Familien nicht nur vom Diktat des Nara-Buddhismus, sondern auch von dem beherrschenden Einfluss der T'ang-Kultur, nach der sich die Nara-Gesellschaft gerichtet hatte. Die Heian-Zeit brachte zwar die allmähliche Entmachtung des Tennō durch die Beamtenregenten der Fujiwara-Familie, aber wie sich während der »Regierungszeit« des mächtigsten Fujiiwara (Fujiwara no Michinaga, 1016-1027) zeigte, fand die Hofgesellschaft jetzt zu ihrem - von den Japanern bis heute als »klassisch japanisch« empfundenen - eigenen Stil in den bildenden und darstellenden Künsten, in der Literatur und im gesamten gesellschaftlichen Leben.
 
In den Jahren 1192-1333 kam es zu einer ersten Erstarkung der Militärregenten des Kaisers, der Shōgune, in Form des Shogunats der Minamoto-Familie, die legal durch die Hōjō-Familie vertreten war. In der darauf folgenden Muromachi-Zeit von 1338 bis 1573 herrschte, von den lehnsabhängigen Fürsten, den Daimyos, bekämpft, die Familie Ashikaga. Die Auseinandersetzungen und Kämpfe, die sich die Daimyōs auch untereinander lieferten, gaben dieser Zeit ihren Namen, nämlich Epoche der Krieg führenden Provinzen (1467-1590). Der Daimyō Oda Obunaga (1573-1582) konnte schließlich mithilfe seines Generals und Nachfolgers Toyotomi Hideyoshieine Zentralherrschaft errichten.
 
Unter dem Shogunat der Tokugawa-Familie kam es zu einem allmählichen Übergang der Militärherrschaft in eine Beamtenregentschaft. Die Edo-Zeit brachte einerseits eine streng überwachte Abschließung des Landes gegenüber den europäischen Mächten (ausgenommen Holland) und dem Christentum, andererseits aber die etwa 250-jährige Periode eines vergleichsweise stabilen inneren Friedens, der erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts durch wirtschaftliche und politische Krisen erschüttert wurde. Es gehört zur Eigenart der japanischen Staatspolitik, dass einmal etablierte Institutionen nicht abgeschafft werden. Während der gesamten Zeit der Herrschaft des Kriegeradels (»buke«) vom 12. bis zum 19. Jahrhundert blieben sowohl das Amt des Tennō wie auch die Ämter der Hofaristokratie (»kuge«) formal bestehen. Die Militärregenten suchten nach ihrer Machtübernahme jeweils eine schriftlich dokumentierte Legalisierung durch den Tennō.
 
Die theoretisch gültige, konfuzianistisch gedachte Ständeordnung der Edo-Zeit, unter dem Kaiser- und Shōgunhaus die Stände der Shi, Nō, Kō, Shō (Samurai, Bauern, Handwerker, Händler), wurde gegen Ende der Edo-Zeit auf den Kopf gestellt, da durch den Ausbau der Handelswege und der Rechtssicherheit im ganzen Land die Geschäfte der Großkaufleute blühten. Sie sammelten einen solchen Reichtum an, dass sie den höheren Ständen, auch den Provinzfürsten und der Shogunatsregierung, Kredite gewähren konnten. Damit gewannen sie gegen Ende der Edo-Zeit immer mehr politischen und kulturellen Einfluss. Eine auf den spezifischen Geschmack der städtischen Handwerker- und Händlerschichten eingehende bürgerliche Kunst und Literatur bildete sich heraus. Weil sich der 15. Shōgun aus dem Hause Tokugawa, Tokugawa Yoshinobu, unter anderem im Streit um die Frage, ob sich Japan dem Handel mit den westlichen Mächten öffnen solle oder nicht, mit seiner abwehrenden Politik bei Hofe und bei der Mehrheit der Provinzdaimyōs nicht durchsetzen konnte, sah er sich gezwungen, dem Kaiser den Regierungsauftrag als Shōogun im Jahre 1867 zurückzugeben. Ab 1868 übte dann Kaiser Meiji mithilfe von Beratern selbst die Regierung aus (»Meiji-Restauration«) und leitete die Modernisierung und damit Verwestlichung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Japan ein. Die erste Kabinettregierung wurde 1885 gebildet. 1889 wurde eine konstitutionelle Monarchie errichtet, 1946 die parlamentarische Demokratie eingeführt.
 
Über 40 Breitengrade - von etwa 30º Nord bis 10º Süd - und über 35 Längengrade - von ca. 90º bis 125º - erstreckt sich das riesige Gebiet, das wir als Südostasien kennen. Über eine halbe Milliarde Menschen lebt heute in dieser Region, die elf Staaten, nämlich die Volksrepublik China (südlicher Teil), Myanmar (Burma), Laos, Thailand, Kambodscha, Vietnam, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei und und zum Teil die Philippinen umfasst. All diese Menschen gehören in ihrer Mehrzahl drei großen Sprachfamilien an, der sino-tibetischen, der Austro-thai- und der austro-asiatischen Gruppe. Und so verschieden wie ihre Sprachen sind auch ihre Lebensweisen und Kulturen. Doch sie alle, das Staatsvolk ebenso wie die nur wenige hundert Menschen umfassende Gruppe in den unzugänglichen Bergen oder Dschungeln, haben eines gemeinsam: die jahrtausendealte Auseinandersetzung mit den beiden politischen und kulturellen Großmächten, die Südostasien bis heute beeinflussen, Indien und China. Doch trotz des übermächtig erscheindenden Eindrucks, oft genug auch nur unter dem Druck, den diese beiden mächtigen Hochkulturen auf die Völker Südostasiens ausübten, entwickelten diese ihre eigenständigen, den Vorbildern in nichts nachstehenden Anschauungen und Kulturen.
 
Einheimische Vorstellungen und lokale Praktiken gingen mit den importierten Kulturzügen eine enge Verbindung ein. Sie ergänzten sie, veränderten sie auch, oft bis zur Unkenntlichkeit, und wirkten nicht selten wieder zurück auf die Ursprungsländer. Pagan in Myanmar, Sukhothai in Thailand, Angkor Vat in Kambodscha, derBorobudur auf Java sind nur die wichtigsten Stein gewordenen Zeugnisse dafür, zu welchen Höchstleistungen die aus Indien stammenden Religionen Hinduismus und Buddhismus ihre Anhänger anspornten. Weniger materiell greifbar, doch im Denken der Menschen ebenso gegenwärtig zeigen sich die konfuzianische Philosophie des menschlichen Zusammenlebens und der Staatsführung sowie die Anschauung des immer währenden zyklischen Wandels und der sich ergänzenden Gegensätze Yin und Yang, die aus China nach Südostasien getragen wurden.
 
So fruchtbar Südostasien auf kulturellem Gebiet war, so unruhig war und ist es auf politischem. Ständige Kriege der einzelnen Staaten untereinander sowie die Abwehr des chinesichen Vormachtanspruchs führten immer wieder auch zum Untergang bedeutender Reiche und zur Vernichtung großartiger Kulturdenkmäler. Seit dem 16. Jahrhundert stellte das Vordringen der europäischen Mächte nach Südostasien eine neue Herausforderung dar, die in den Kolonialreichen des 19. und 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt und im Indochinakrieg der jüngsten Zeit ihren blutigen Abschluss fand. Abermals erreichten neue Ideen Südostasien, dieses Mal aus dem fernen Westen und doch auch wieder gefiltert durch China. Der Kommunismus bewirkte, zusammen mit den Abwehrkriegen gegen die Kolonialmächte, dem Erwachen nationalstaatlicher Gedanken und moderner westlicher Technik, eine so gravierende Umgestaltung der Region Südostasien, dass deren Auswirkungen heute noch nicht überblickt werden können.
 
Dr. Siglinde Dietz, Prof. Dr. Wolfgang Bauer (✝), Prof. Dr. Johannes Laube, Dr. Xaver Götzfried
 
 
Batchelor, Stephen: Der große Tibet-Führer. Mit einem Vorwort des Dalai Lama. Aus dem Englischen. Neuausgabe Innsbruck 1993.
 Keilhauer, Anneliese und Keilhauer, Peter: Südkorea. Kunst und Kultur im »Land der hohen Schönheit«. Köln 1986.
 
Kunst des Buddhismus entlang der Seidenstraße. Eine Ausstellung der Stadt Rosenheim und des Staatlichen Museums für Völkerkunde München, in Zusammenarbeit mit der Dresdner Bank, Beiträge von Günter Grönbold u. a. München 1992.
 Oesch, Hans: Außereuropäische Musik. Band 1. Laaber 1984.
 
Südostasien. Kunst und Kultur, mit Beiträgen von Maud Girard-Geslan u. a. Freiburg u. a. 1995.
 
Von Göttern, Königen und Menschen. Flachreliefs von Angkor Vat und dem Bayon (Kambodscha, 12. Jahrhundert), Beiträge von Albert le Bonheur. Fotos von Jaroslav Poncar u. a. Wuppertal 1995.

Universal-Lexikon. 2012.

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